Buchbesprechung von Sibylle Mettler
veröffentlicht im Westallgäuer vom 7.11.03, S.29
Die „Lehren vom Leben“
Prof. Wolfgang Bibel verfasst
Essays über Mensch und Gesellschaft –
Buch erschienen
Scheidegg-Lindenau
Der Titel verspricht
einiges. Nichts weniger als die „Lehren vom Leben“ hat Wolfgang Bibel veröffentlicht.
Den Titel seines Buches hat der Professor für Informatik und Intellektik
bewusst uneindeutig gewählt. Sind es die Lehren, die der Wissenschaftler vom
Leben selbst erhalten hat oder die Lehren, die er den Lesern weitergibt? Beides
meint der Autor und macht erst einmal eine Kanne Rotbuschtee.
Hier im Scheidegger Ortsteil
Lindenau will sich der gebürtige Franke zur Ruhe
setzen, wenn er nächstes Jahr an der Technischen Universität Darmstadt aus dem
Forschungs- und Lehrdienst ausscheidet. Hier hat er sich mit seiner Frau ein
haus gekauft und spricht er von den Beweggründen zu seinem Buch. „Ich will
etwas weitergeben“, meint er und nimmt einen Schluck Tee. Später sagt er noch: „Sie
glauben nicht, was wir schon können.“
„Wir“, das sind die Forscher
der Intellektik, die Maschinen klug machen wollen. Ihr Grundziel ist es, alles
zu verstehen, was intelligentes Leben ausmacht. Diese Wissenschaftler waren es,
die den Schachcomputer programmiert hatten, der Mitte der 90er Weltmeister
Garry Kasparow schlug. Seitdem das geglückt ist, lassen die Forscher ihre
Maschinen Fußball spielen. Bibel hat sich in der Intellektik einen Namen
gemacht, ist mit Preisen ausgezeichnet worden. Der wichtigste,
eine Auszeichnung der „International Joint Conferences
on Artificial Intelligence“
von 1999 steht in einem Bilderrahmen auf dem Wohnzimmerregal. Aber der
Maschinen-Fußball beschäftigt Bibel nur am Rande. Er kritisiert lieber, was
unsere Gesellschaft alles falsch macht und zeigt auf, wo ihr künstliche Intelligenz
das Leben erleichtern könnte. Beispiel Pädagogik: Ist es nun besser, die Kinder
sechs Jahre lang in einer Gesamtschule zu unterrichten oder schon nach vier
Jahren in Gymnasiasten, Real- und Hauptschüler zu unterscheiden? Dass sich
Politiker und Pädagogen darüber die Köpfe einschlagen, löst bei Bibel
Kopfschütteln aus. Es sind für ihn Probleme, die seiner Ansicht nach gar keine
sind. Gibt es doch längst Computer, die simulieren könnten, in welchem Schulmodell
ein Kind am besten lernt. „Wie man Kinder erzieht, ist ein echtes Problem“,
meint er.
Wissenschaftlich und persönlich
Diese Mischung aus
wissenschaftlichen Erkenntnissen und persönlicher Anschauung zieht sich durch
die eng beschriebenen 339 Seiten des Buches. Bibel beschreitet darin den Weg
vom einzelnen Menschen, seinem Geist und seinen Körperfunktionen, hin zur
Gesellschaft und ihrer Ordnungsstruktur. Dabei webt er auch so ur-menschliche
Kapitel wie Ernährung und Verdauung und Sexualität und Liebe mit ein. Bibel der
selbst nicht an Gott glaubt, beschäftigt sich aber auch mit Religion und
Mythologie und Kunst.
Wolfgang Bibel,
„Lehren vom Leben. Essays über Mensch und Gesellschaft“, Deutscher Universitäts-Verlag,
ISBN 3-8244-4519-0, 29,90 Euro.
